Am frühen Abend des zweiten Asphalt-Fahrtages erreichen wir den unterwegs abgesprochenen Treffpunkt mit U. und H.; ein Campingplatz bei El Pont de Suert. Also werden die CB Geräte installiert und die Funkantennen aufgestellt, um die kommunikative Verbindung zwischen den Fahrzeugen sicherzustellen. Am nächsten Morgen kann es losgehen. Das Ziel unserer Offroad Reise durch Spanien ist, nach Andalusien zu fahren und dabei möglichst viel auf möglichst kleinen Wegen durch das Hinterland zu fahren. Eine Route haben wir nicht, sondern nur Anhaltspunkte (lohnende Regionen) aus dem Guia Toyota in spanischer Sprache sowie dann für Andalusien das Routenbüchlein von MDMot.
So beginnt die Reise mit einer Fahrt ins Ungewisse und wir sind gespannt, ob und wie wir unseren eigenen Weg finden. In Anlehnung an die Super Karpata aber natürlich viel softer: „Find your own track“.
Noch innerhalb des Dorfes El Pont de Suert geht es einfach mal die Serpentinen den Hang hoch. Erste Enttäuschung: Gemäss Karte sollte hier eigentlich nicht asphaltiert sein. Schade. Oben eine erste Überraschung: Eine kleine Kapelle steht an einem Aussichtspunkt, der einen grandiosen Blick über die südlichen Pyrenäen zulässt. Nach Karte endet hier der mittlerweile geschotterte Weg. Wir beobachten jedoch ein Fahrzeug, welches von einem Kamm den Hang herunterkommt und beschliessen, dorthin zu fahren um zu sehen, ob es vielleicht doch weitergeht. Und tatsächlich sind wir bereits ein erstes Mal mit einer happigen Steilauffahrt unter Reduziergetriebe konfrontiert, die uns auf den Kamm bringt. Hier oben wird klar: Es hat deutliche Fahrspuren dem Kamm entlang. Wir beschliessen, solange den Spuren zu folgen, bis es nicht mehr weitergeht. Dadurch können wir – in bester Erinnerung an Rumänien – eine Kammfahrt oberhalb der Waldgrenze mit herrlichen Ausblicken auf die Berge (u.a. Turbon) geniessen. Später, nach weiteren Steilauffahrten mit Reduktionsgetriebe, mündet der Kammweg wieder in einen auch in unserer Karte eingetragenen Schotterweg, der noch weiter auf dem Kamm verläuft. Bald schon passieren wir eine Stelle, wo tonnenweise trockenes Holz liegt. Wir stocken gleich unseren Vorrat an Feuerholz auf. Dann der nächste Halt: Adler beobachten. Dann liegt ein Waldbrand-Beobachtungspunkt vor uns: Bessere Aussichtspunkte gibt es nicht. Und am Feierabend geniessen wir aus der Höhe den Blick ins Tal. H. stellt ernüchtert fest, dass unser Übernachtungsplatz gerade mal 35km Luftlinie vom Startplatz am Morgen entfernt liegt. Insgesamt haben wir knapp das Dreifache dieser Strecke zurückgelegt. Trotzdem haben wir einen äusserst spannenden Tag mit einer überraschenden Route erlebt.
Dennoch: Immer hat man nicht nur Glück. Eine zumindest aus der Karte theoretisch zusammengestellte Route muss sein, damit wir uns einigermassen gezielt in Richtung Andalusien bewegen. Es wird nun meine Aufgabe sein, jeden Abend mit der Quo Vadis Software und der 1:25‘000 Spanien Karte Routenpunkte zu definieren, die wir am nächsten Tag abfahren könnten. Geht es auf, umso besser, geht es nicht auf, haben wir immerhin einen „roten Faden“ auf dem Bildschirm, dem wir nach Umwegen wegen Unpassierbarkeit wieder folgen können. Dieses Vorgehen sollte sich bis nach Andalusien als zwar „Feierabend – arbeitsintensiv“ aber äusserst lohnend erweisen.
Am nächsten Tag sehen wir, dass die Sache durchaus spannend ist, denn auf der Karte gleich markierte Wege sind in der Natur durchaus sehr unterschiedlich, was Fahrbarkeit, ja sogar Passierbarkeit betrifft. Auch was den „Schönheitsfaktor“ der Landschaft betrifft, haben wir natürlich mit unserer Vorgehensweise manchmal Glück und manchmal treffen wir auf eher langweilige Strecken. Aber da es ja kein Muss ist, dann einfach weiter am „roten Faden“ zu hängen, beschliessen wir ab und zu auch, uns auszuklinken und ein paar Kilometer später – das kann nur schon die nächste Geländekammer sein – wieder einzuklinken.
So verlassen wir bald die südlichen Ausläufer der Pyrenäen – welche übrigens fahrerisch durchaus viel zu bieten haben – und erreichen die Monegros Hügel. An der Abbruchkante treffen wir auf ein altes Kloster, wo eine Kapelle und weitere kirchliche Räume in den Stein gehauen sind. Am zweiten Tag in diesem Gebiet beobachten wir über Stunden während unserer Fahrt die Entwicklung eines Gewitters. Dieses entlädt sich schlussendlich mit apokalyptischen Szenen (Wind, Dunkelheit, intensivster Regen) über uns. Die Wege werden innert Minuten unter Wasser gesetzt und zu Bächen. Hoch spritzt es auf beiden Seiten des Landcruisers; fast wie bei einer Wasserdurchfahrt. Das Wasser verwandelt aber ein paar Strecken auch in höchst glitschige Schlammwege und wir müssen umkehren, weil wir ein Abgleiten den Hang hinunter nicht riskieren wollen. Die Autos sind vollgepampt mit klebrigem Dreck. Später in Caspe befreien wir die Autos mit Wasserhochdruck vom Gröbsten und stellen so die Betriebssicherheit (Bremsen, Fahrwerk) sicher.
Eigentlich hatten wir die Absicht, alle paar Tage mal einem Campingplatz zwecks Dusche anzusteuern. Da dieser Teil Spaniens aber abseits der Tourismusrouten liegt, ist immer wieder Fehlanzeige was Campingplätze betrifft. Wir behelfen uns, was das Duschen betrifft, mit unserem 10 Liter Brauchwasser Kanister. Wenn man sich das Wasser gut einteilt, reicht das für zwei Personen. Es macht jedes Mal Spass, sich neben das Auto in die Natur zu stellen und per Tauchpumpendusche die übelsten Staubschichten und Körpergerüche loszuwerden.
Wir sind so mehrere Tage mit unserem Routenplan-Ansatz in den Hügeln Spaniens unterwegs und suchen uns jeden Abend einen Platz für die Nacht. Jeden Tag gibt es einen Routenteil, den wir zurückfahren müssen, oder der nur mit äusserster Mühe, vor allem wenn die Wege beinahe zugewachsen sind, passierbar ist. Klar, dass man da was neue Kratzer am Fahrzeug betrifft eine dicke Haut haben muss. Im Klartext: Ich beginne ich das kratzende Quietschen von Hagebuttensträuchern am Lack je länger je mehr zu hassen. Wir lernen die „Hartkratzer“ von den „Weichkratzern“ zu unterscheiden und versuchen unsere Fahrzeuge so durch die engen Sträuchergassen zu steuern, dass möglichst viele „Hartkratzer“ vermieden werden können. Das ist oft Millimeter-Arbeit.
So durchqueren wir auch in einer ausgiebigen Schlaufe die Montes Universales und die Serrania de Cuenca. Hier könnte man noch viel mehr Zeit verbringen. Es gibt endlos viele Möglichkeiten, Wege zu einer Route zusammenzusetzen.
In Cuenca ist es dann endlich soweit. Wir sind für eine Nacht auf dem Campingplatz; zum ersten Mal seit unserem Start in den Pyrenäen. Hier ist auch der Punkt erreicht, wo wir mal zwei Stunden auf einer guten Asphaltstrasse vorwärtskommen wollen in Richtung Andalusien, denn unsere Wald- und Wiesenfahrerei hat zur Folge, dass wir pro Tag jeweils nur knapp über hundert Kilometer oder sogar weniger schaffen. Wir geniessen es auch, mal aus der Natur herausgekommen zu sein und verbringen ein paar Stunden im historischen Städtchen. Natürlich haben wir hier auch wiedereinmal beste Möglichkeiten, unsere Essensvorräte aufzustocken, denn auf unserem Weg war es bisweilen ein Tagesziel, an ein frisches Brot zu kommen. Kleinste traditionelle Läden in den Dörfern haben uns dabei geholfen.
Nach zwei Stunden Asphaltfahrt (160km) geht es also bereits rein in die nächste Sierra; die letzte vor Andalusien. Wir verbringen zwei volle Tage darin und planen unsere Route mit der unterstützenden Information aus dem Guia Toyota. So erwarten wir mit Spannung, ob die Routen passen oder ob wir umkehren müssen. Jedesmal geht es über Bergketten, die über tausend Meter hoch sind. In den dazwischenliegenden Tälern sind oft Stauseen angelegt. Wir treffen auch auf viele Jäger. Offenbar ist Das Jagen eine grosse Passion der Spanier.
Nachdem wir circa sechs Kilometer auf guter Schotterstrasse im Tal an den Punkt gefahren sind, wo es dann über den Berg gehen soll, ist der Weg plötzlich völlig unerwartet zu Ende. Das heisst, er wird zum Pfad und auch dieser verliert sich nach wenigen Metern in den Sträuchern. Also eben umkehren und die Asphaltstrasse zumindest bis auf den Berg nehmen und dann schauen, ob es nicht auf der andern Seite runter mindestens wieder auf Schotter geht. Es geht, aber zuerst erholen wir uns in der Dorfkneipe bei einem Cafe con leche, denn die Steilabfahrten verlangen wieder vollste Konzentration beim Steuern unserer knapp drei Tonnen schweren Offroader.
Dann erreichen wir Andalusien. Und damit habe ich wieder freie Abende, beziehungsweise komme früher ins Bett. Denn ab hier wollen wir ein paar MDmot Routen fahren. Die erste führt uns durch die Sierra de Cazorla. Landschaftlich wunderschön und mit einer knackigen Steilauffahrt. Es ist schon entspannend, wenn man solch vorrekognoszierte und beschriebene Strecken einfach abfahren kann. Dazu noch die Route auf dem Bildschirm. Man weiss, dass man durchkommt und nicht umkehren muss. Und gerade deswegen verliert das Fahren manchmal auch etwas von seinem Reiz. Man erarbeitet sich die Strecke (Der Weg ist das Ziel!) weniger, sondern fährt die Strecke ab. Natürlich kann man sich dadurch auf die andern Qualitäten, wie etwa die landschaftlichen Reize, mehr konzentrieren. Beispielweise eine für mehrere Kilometer in einem ausgetrockneten Bachbett verlaufende Strecke. Oder die unzähligen Formen von Erosion. Die verschiedenen Farben der Erde. Die Bauern auf den Feldern. Das Fahren durch diese Landstriche Nordost-Andalusiens ist ein Genuss. Nach einer Fahrt in der Sierra Nevada endet unsere gemeinsame Reise bei der grössten europäischen Sternwarte in der Sierra de los Filabres; übrigens eine deutsch-spanische Partnerschaft. Unsere Fahrpartner – eine Woche früher als wir in der Schweiz gestartet – müssen den Rückweg antreten. Theres und ich lassen den nächsten Tag noch mit einer weiteren Offroad Route ausklingen, bevor wir Granada erreichen. Zum Ausklang unserer Reise besuchen wir als normale Asphalt-Touristen die Alhambra in Granada, die Mesquita in Cordoba und die wegen ihrer speziellen Lage an einer Felsabbruchkante bekannte Stadt Ronda. Ein entspannter Abschluss eines faszinierenden Weges ans Ziel.