Island: Zu zweit –zu viert – zu zweit

Immer langsamer werdend, gleitet die Norröna in den Fjord bei Seydisfjördur. Wir stehen nach zwei Tagen Fährfahrt auf dem Aussichtsdeck und geniessen die ersten Blicke auf Island; zwar könnte das Wetter besser sein, aber wer nach Island reist, hat ja diesbezüglich nicht sehr hohe Erwartungen.

 

Einstieg zu zweit

Zuerst das Notwendige: Anstehen um isländische Kronen zu beschaffen, dann rüber fahren nach Egilsstadir zum Einkauf. Wir wollen für 10 Tage einkaufen, damit wir möglichst ohne Unterbrechung im Hochland unterwegs sein können. Was den Dieselvorrat betrifft, haben wir einen 20 Liter Zusatzkanister dabei. Ergibt 110 Liter Diesel. Das vergrössert unseren Radius, beziehungsweise erhöht die Reserve.

Einkauf: Fehlanzeige. Die beiden Supermärkte sind noch geschlossen und es bleibt uns nichts anderes übrig, als den ersten dieser etwas dürftigen isländischen Kaffee-Krug Kaffees im Tankstellenshop nebenan zu schlürfen. Als die Supermärkte öffnen, werden sie quasi von den Angekommenen gestürmt. Man versucht sich in den Gestellen bei den häufig nur auf Isländisch angeschriebenen Waren zurecht zu finden. Welche Milch soll man nehmen? Die rote, die blaue oder die grüne? – Genau erwischen wir eine Sauermilch.

Den Hengifoss, besichtigt auf unserer ersten Islandreise 2007, lassen wir vorbeiziehen und fahren zügig Richtung Hochland auf der F910. Wir wollen so rasch wie möglich ab dem Asphalt und eine Schotterroute finden zur Snaefell Hütte. Das gelingt auch und schon bald sind wir völlig allein im Gelände. Noch schnell Luftdruck reduzieren und Fahrwerk ein paar Stufen weicher einstellen. Dann beginnt der Spass. Der HDJ80 nimmt seinen Dienst als Gelände-Sightseeing Fahrzeug auf. In der Ferne ist schon der Vatnajökull zu erkennen. Wo ist Gletscher, wo Wolkenüberzug und wo beginnt der weissliche Himmel? Abends sammeln sich ein halbes Dutzend Offroad Fahrzeuge am Campingstellplatz der Hütte und man teilt sich die knappen sanitarischen Einrichtungen.

Ziel ist dann Kverkfjöll; aber nicht auf dem direkten Weg, sondern über die warme Outdoor Dusche Laugarvellir und Hvannalindir. Das Wetter ist verhangen. Immer wieder nieselt es.

Wie schon gestern fahren wir gegen Ende des Tages wieder auf den Vatnajökull zu; dieses Mal natürlich an einen weiteren Gletscherarm. Als ich dann, bei der Hütte angekommen, den Blick über die schon angekommenen Fahrzeuge schweifen lasse, entdecke ich Herbert und Ursi‘s Nissan Navara. Sie sind schon eine Woche früher angereist. Den ganzen Tag hatten wir Funkbereitschaft und sie mehrmals aufgerufen in der Hoffnung, uns schon während des Tages zu treffen. Aber mit CB Funk Empfangsdistanzen ist das halt so eine Sache. Umso besser haben wir uns vor der Reise noch mündlich abgesprochen. Das Zusammentreffen muss natürlich gleich mit einem Apéro gefeiert werden. Ab Morgen werden wir für acht Tage zusammen durchs Hochland streifen. Wir sind gespannt, was wir alles erleben.

 

Zu viert auf abgelegenen Routen im Hochland

Bevor es soweit ist, fahren Theres und ich aber noch zum bekannten Gletschertor bei Kverkfjöll. Sechs Kilometer Schotterstrasse und eine klare Sicht auf den Vatnajökull bei blauem Morgenhimmel. Der Fotoapparat hat Hochbetrieb. Das Wetter hält aber nicht lange und später, auf dem Weg nach zur Dreki Hütte bei Askia, nieselt es schon wieder. Die Lava – Kieslandschaft, die wir dabei durchfahren, wirkt so noch gespenstischer und unwirklicher. Nachmittags amüsieren wir uns beim Viti Krater: die die baden gegangen sind, schaffen es im lehmigen, rutschigen Abhang fast nicht mehr zurück zum Kraterrand hinauf. Später staunen wir am grossen Kratersee Öskjuvatn erneut über die Schwimmfähigkeiten und die Leichtigkeit der Bimssteine. Beim Parkplatz stellen wir fest, dass vor fünf Jahren, bei unserem letzten Besuch, noch viel weniger Busse mit Tagestouristen diesen Ort besuchten.

Über die F910 Nord wollen wir Laugafell erreichen. Ein rechtes Tagespensum. Insbesondere dann, wenn vier Leute während der Fahrt ständig neue Fotosujets ausmachen und sofort gestoppt werden muss. Zeitweise kommen wir so kaum vorwärts. Die Fahrt zuerst über schwarzen Lavasand und später durch die Lava Labyrinthe – oft im Schritttempo – ist faszinierend. Noch faszinierender sind jedoch die kleinen Bächlein, die sich ab und zu in den Lavafeldern bilden und die mit ihren grünen Algen einen sehr willkommenen Farbtupfer in einer sonst grau, anthrazit bis schwarzen Landschaft darstellen.

Gegen Abend sind noch ein paar Furten zu durchfahren. Wir schauen uns das jeweils für den Nissan genau an, denn seine Watttiefe ist nicht so üppig wie die des Toyota Landcruiser. Aber es geht. In Laugafell erholen wir uns vom doch ziemlich langen Tag im heissen Pool. Wir lassen uns tief bis zum Kinn hineinsinken ins wohlig warme Wasser, denn jeder Körperteil der ausserhalb bleibt, kühlt im Wind sofort aus. Man merke: Die grosse Herausforderung ist, sich zu überwinden, den Pool wieder zu verlassen und auf dem Weg zur Garderobe nicht zu erfrieren.

Zwei Tage später verlassen wir bei Kerlingarfjöll die nummerierten Strassen und es geht auf die kleinsten noch in der Karte eingetragenen Wege. Wir fahren zur Setur Hütte und dann in Richtung Haifoss, parallel zur Pjorsa. Da bleibt der Landcruiser in einem Restschneefeld bis an die Achsen stecken. Zuerst versuchen wir, mit Unterlegen der Sandbleche wieder raus zu kommen. Geht aber nicht. Dann eben den Bergegurt auspacken. Das ist ja der grosse Vorteil, wenn man hier, wo man keine andern Autos trifft, zu zweit unterwegs ist. Der eine kann dem andern helfen. So kommen wir rasch wieder frei. Nur wird es dann wieder knifflig, das Schneefeld über die spitzen und scharfen Lavasteine zu umfahren. Die Bodenfreiheit des Nissan ist auf‘s Äusserste gefordert. Aber er schafft auch das. Die Strecke zieht sich unendlich dahin und wir müssen – nachdem wir die breite aber nicht tiefe Furt der Dalsa durchquert haben, unser Camp im offenen Gelände aufstellen. Der nahegelegene Wasserfall Dynkur rauscht uns in den Schlaf.

So geht’s halt erst heute zum eindrücklichen Haifoss und einmal mehr an eine Tankstelle um diverse Vorräte aufzustocken. Im intensiven Licht der tiefstehenden Sonne rollen wir in die Region Landmannalaugar und nutzen dieses gute Fotolicht. Nach fünf Jahren zurück in Landmannahellir stellen wir fest: Der Campingplatz hat mehr Leute, immernoch gleichviele Toiletten und Duschen; ist aber immer noch ein schöner Platz für eine Übernachtung.

Morgens fahren wir den Anstieg zu Berg Hranftinnusker. Diese griffige Steilauffahrt macht Spass und oben können wir ein Schneefeld queren ohne stecken zu bleiben. Schöne Aussicht auf die umliegenden Berge und den Vulkan Hekla. Landmannalaugar, von Rucksack- und Tagestouristen belegt, passieren wir rasch, denn wir wollen erneut weg von der Zivilisation, rauf, möglichst nahe an den Vatnajökull ran . Dazu fahren wir auf der F235 bis zum Aussichtspunkt Breidbakur auf 1018 m. Ein Wahnsinn diese Rundumsicht bei jetzt klarem Wetter. Man sieht Langjökull, Kerlingarfjöll, Hofsjökull und natürlich den Vatnajökull swie den See Langisjör. Und dann auch noch bis in die Berge von Landmannalaugar. Es ist eine wirklich wüstenhafte Landschaft hier oben; Lava Sand Pisten, scharfer Lava Schotter, Hügel aus Lavageröll. Kühl und windig eben, aber daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Langsam wird das Auto innen und aussen von feinstem Lava Staub überzogen: Die Island Patina. Wir geniessen die Einzigartigkeit dieser Landschaft und das allein sein zu viert. Nach Karte geht’s hier nicht mehr weiter; nach GPS Karte jedoch schon. Wir probieren es aus und kommen dem Gletscherfeld nochmals einige Kilometer näher; wer will, kann sogar bis zum Parkplatz am nordöstlichen Ende des Sees Langisjör fahren. Auf dem Rückweg stoppt uns ein Ranger: Ob wir einen roten Jeep Wrangler gesehen hätten. Er suche den. Der Fahrer – ein Russe mit nur knappen Englisch Kenntnissen – habe die Notrufnummer angerufen und gesagt, er stecke im „mud“. Meinte er wohl Treibsand? Auch das gibt’s hier. Und noch etwas Spezielles: Beim Blautulon See gibt es dem Ufer entlang keinen Weg. Man muss ins Wasser fahren und nahe dem Ufer entlang zur andern Seite. Der Ranger meinte noch, wir sollten nicht vom Ufer weg, weil es sich um einen Kratersee handelt. Mit einem etwas mulmigen Gefühl fahren wir in den See und auf die andere Seite wo die Piste weiter geht. Unser Camp ist neben einer leerstehenden Berghütte. Jedoch perfekt eingerichtet für Wanderer. Wir haben unser eigenes Bett draussen im Auto. Unsere Erlebnisse des Tages werden bei Bier und Chips besprochen.

Auf der F232 fahren wir von der Küstenebene dem Myrdalsjökull entlang wieder ins Hochland hinauf und über die Maelifellssandur zur F262 hinunter, wo der Fluss Markjarfljot überquert werden muss. Die Schwemmebene lässt einen fast verzweifeln. Die Isländer furten den Fluss an einer Stelle, wo es für ihre Maxi-Räder passt, jedoch für mitteleuropäische Reifendimensionen unmöglich ist. So brauchen wir eine Weile, bis wir eine Serie von Flussarmen gefunden haben, die das Furten zulassen.

So verlassen wir das Hochland und besuchen für Dusche und Entspannung nochmals einen Sundlaug (einen öffentlichen Swimmingpool), bevor sich unsere Wege trennen. Schon morgen Abend treffen unsere Kinder in Keflavik per Flugzeug ein. Sie werden unsere nächsten Reisepartner sein für eine Woche in den Westfjorden und im Hochland. Doch zuerst steuern wir noch Reykjavik an und hier insbesondere das Cafe Laundromat, wo man in amerikanischer Manier im Untergeschoss die Wäsche waschen und trocknen kann, während man im Erdgeschoss einen Kaffee trinkt. Die Zeit zwischen den Waschgängen verbringen wir mit kurzen Besichtigungsrunden in der Innenstadt Reykjaviks.

Zu viert in den Westfjorden

Den überbelegten Stadt-Campingplatz passieren wir ohne zu bleiben. Wir suchen uns einen ruhigeren Platz in Mosfellsbaer ein paar Kilometer nördlich von Reykjavik. Nun sind wir also zum ersten Mal zu viert mit unserem Custom Camper unterwegs. Wir sind gespannt wie das geht, sind doch unsere Kinder mittlerweile junge Erwachsene und das könnte knapp werden mit dem Platz auf den Rücksitzen, wo dazwischen auch noch die Kühlbox Platz wegnimmt.

In Stykkisholmur nehmen wir die Fähre „Baldur“, um den Fjord mit kurzem Anlegen in Flatey zu überqueren und die Westfjorde zu erreichen. Zuvor geniessen wir aber in der kleinen Gastwirtschaft am Hafen einen Kaffee aus einer original italienischen Kaffeemaschine. Eine wirkliche Seltenheit in Island. Wieder einmal ist Nieselregen angesagt. Wir verziehen uns abends ins Auto und stellen fest: Das kleine „Stübchen“ da hinten drauf passt für vier erwachsene Personen und kochen kann man dabei auch noch. Später ziehen sich die Kinder zum Lesen und Schlafen ins Bergzelt, welches neben dem Auto steht, zurück.

In Latrabjarg ist das Wetter immer noch rau. Wir freuen uns dennoch über die putzigen Papageientaucher, die hier an den Klippen, jedoch zum Greifen nah, vor uns herumturnen. Irgendwie passt es nicht zusammen, ein so farbiger Vogel in einer so kargen, rauen Landschaft. Den müsste man sich eigentlich eher in den Tropen anschauen. Wir verlassen den westlichsten Punkt Europas und übernachten gleich unterhalb des breiten Wasserfalls Dynjandifoss. Dann geht die Fahrt zügig durch die kleinen Orte entlang der Fjorde, jedoch nicht ohne die Offroad Strecke bei Lokinhamrar noch mitzunehmen, wo man mit dem Auto direkt auf den groben Steinen des Küstenstreifens fährt.

In Heydalur können wir nochmals einen warmen Pool mitten in der Natur geniessen, müssen aber feststellen, dass uns die Westfjord Region weniger fasziniert als das Hochland. So machen wir uns zügig über die F66 Route auf den Rückweg. Abends erreichen wir schon über die F587 Arnarvatnsheidi und freuen uns beim Anblick der Eiskappe des Langjökull im Abendlicht. So haben wir einen Tag zusätzlich im Hochland und wir wollen ihn nutzen. Es kommt aber ganz dick: In Richtung Hveravellir (Storisandur) brauchen wir für fünfzig Kilometer tatsächlich fünf Stunden, bis wir die F35 erreichen und sind so auch viel später als geplant in Kerlingarfjöll. (Ausgerechnet hier fuhr unsere 19-jährige Tochter ihre ersten Offroad Kilometer mit dem Toyota. Sie hat es gut gemeistert und ist präzise und ohne Bodenberührung gefahren.) Wir wollen nämlich dieses Mal von Kerlingarfjöll parallel zur F35 in Richtung Gullfoss Ostseite fahren. Das können wir aber heute unmöglich noch schaffen und so campen wir ein weiteres Mal dort wo es uns entlang der Piste gerade gefällt und einigermassen Windschutz zu finden ist; wobei zu sagen ist, dass der Wind eigentlich mit der tieferstehenden Sonne immer eingeschlafen ist. Die Woche geht auf Wunsch der Kinder mit einem Besuch der „Blue Lagoon“ und Essen in einem feinen isländischen Gasthof in Grindavik zu Ende.

Zu zweit zum Abschluss an der Südküste

Dann eben weiter zu zweit. Und was jetzt kommt dürfte klar sein: Ab ins Hochland zum dritten. Noch einmal stocken wir unser Vorräte auf und fahren zu den Seen von Veidivötn, einem beliebten Gebiet für isländische Angler. Eine wunderschöne Gegend, die wieder intensiv fotografiert wird. Es gelingt uns auch noch, einen Weg zur Schwemmebene der Tungnaa, eines grossen Gletscherflusses, zu finden. Es ist eindrücklich dieses Bild von Weite. Wieder geht der Blick bis zu hinterst an den Vatnajökull, wo wir vor ein paar Tagen standen. Leider darf man an den Seen nicht campieren und das vorgesehene Camp gefällt uns nicht. Wir suchen uns einen abgelegenen Platz ausserhalb dieses Gebietes.

Wir statten auch der Hekla einen Besuch ab und sind beeindruckt von der Mächtigkeit der Lavaströme, die sich hier ergossen und am Punkt X zum Stillstand kamen. Einzelnen Autospuren im Kies folgend, finden wir tatsächlich auch die in den siebziger Jahren an der Südküste gestrandete DC-3 der US Navy. Eine weitere Tagestour bringt uns nach Lakagigar, wo wir wieder die Kombination von Lava Anthrazit und zartem Grün bestaunen. Natürlich lassen wir auf der Fahrt der Südküste entlang die üblichen Punkte von Naturattraktionen nicht aus. Theres kann sich am Jökulsarlon und seinen Bruderseen fast nicht satt fotografieren an den Formen abtauenden Eises. Über die Stichstrasse F985 gelingt es uns sogar, einen Punkt über einem Arm des Vatnajökull zu erreichen und damit auf den Gletscher hinunter zu schauen. Eine andere Stichstrasse (F980) stoppt uns jedoch mit einer nicht passierbaren Furt. Der Weg ist mit grossen Steinen als „gesperrt“ markiert und wir finden keine Alternative entlang des Flusses. Zwei Tage später auf der Rückfahrt mit der Fähre erfahren wir von einem Franzosen, dass er ebenfalls dort war und zum richtigen Zeitpunkt ein Isländer vorbeikam, welcher ihm die neue Furt zeigte. Er konnte sie mit dem Toyota Landcruiser problemlos passieren.

Dann sind es nur noch wenige Kilometer, bis Egilsstadir wieder erreicht und damit die Rundfahrt durch Island beendet ist. Für die letzte Nacht suchen wir uns einen ruhigen Campingplatz und fahren erst am Morgen, als gerade die Fähre einläuft, zum Hafen.

Fazit

Island hat uns erneut fasziniert und dadurch, dass wir unser eigenes Auto dabei hatten (wirklich zu empfehlen; aber nur mit 4x4) und mit einem Reisepartner unterwegs waren, konnten wir neue Regionen kennenlernen die äusserst faszinierend waren. Natur wie in Island ist wirklich einzigartig und sonst nirgends auf der Welt zu finden.

Dennoch meinen wir, dass wir Island nun weitgehend gesehen haben und sich eine nächste Reise nicht akut aufdrängt. Man muss auch genügend Motivation aufbringen, um die lange Hin- und Rückreise mit Autobahn und Fähre wieder auf sich zu nehmen.