Für einmal dürfen zwei Männer eine Woche alleine ran. Und das geht so: Nach frühem Arbeitsschluss müssen wir noch Livorno des Nachts erreichen, um zur Abfahrzeit der Fähre bereitzustehen.
Mühsamer Weg auf Asphalt: Schon in der Region Zürich verlieren wir die erste Stunde im Feierabendverkehr. So wird es nach halb zwei Uhr morgens, bis wir auf dem Parkplatz des Fährhafens endlich einschlafen dürfen. Und schon rund fünf Stunden später wieder auf.
Es ist immer wieder spannend zu erleben, wieviel und welche Offroad Fahrzeuge aus allen Winkeln auftauchen und sich für die Verschiffung anstellen. Dieses Mal ist es ein polnischer Veranstalter mit neun Fahrzeugen. Nach unserem Frühstück auf dem Schiff kommen wir mit Mariusz ins Gespräch, und er erzählt uns von seinem Leben als Inhaber der Firma und Tour Guide und wo einen das alles so hinführt. Beeindruckend, was da an Ländern und Kilometern zusammenkommt. Wäre mir aber fast zu viel. Natürlich interessieren ihn auch unsere Fahrpläne für Korsika und das Auto der kochfamily.
Idee ist es, Touren aus dem MDMOT Führer sowie aus Wikiloc zu fahren und auch selbst aus der Karte herausgelesene dazu zu fügen. Höhepunkt soll der Versuch werden, die Piste des Seigneurs zu fahren. Dazu haben wir die grünen Michelin Karten 1:100‘000 dabei, die 1:25‘000 mit der Piste des Seigneurs, einen MTB Führer (MTB Routen ohne Single Trails eigenen sich logischerweise häufig auch als interessante Offroad Pisten), den MDMOT Führer und Screen Shots, der auf Google Earth dargestellten Wikiloc Tracks, auf dem Tablet PC.
Am späteren Nachmittag erreichen wir über die Schnellstrasse bereits den südlichen Teil der Insel, kaufen ein, tanken auf und versuchen uns ein erstes Mal mit der App „Locus Pro“, die wir auf dieser Tour bezüglich Navigation mit dem Tablet PC testen wollen. Das hapert zwar anfangs etwas, dafür sind wir bereits im Hinterland auf schmalsten, jedoch noch asphaltieren Strässchen unterwegs.
Bereits auf der ersten Strecke müssen wir feststellen, dass der MDMOT Führer recht behält, wenn er immer ausdrücklich erwähnt, mit welchem Vehikel (meist Motorrad) er die Strecke gefahren ist und dies nicht bedeutet, dass man es mit vier Rädern auch schafft. Das erste Hindernis, ein Steinbrocken, liegt zum Glück noch so auf dem Weg, dass wir mit Milimeter-Fahrarbeit daran vorbeizirkeln können. Wenig später aber sind die Gesteinsbrocken mannshoch und damit ist umkehren angesagt für 4x4.
Wir bemerken, dass recht viel Fallholz in den Wäldern und an den Wegesrändern herumliegt; offenbar von einem Frühjahrssturm. Und schon holt uns das Thema ein: Während mein Reisepartner H es mit seinem Navara Pickup noch untendurch schafft, müssen wir uns für den Landcruiser etwas einfallen lassen. Dass wir als Erstes das Ersatzrad vom Dach holen geht ja noch. Es reicht aber nicht. Die neuen Solarpanele auf dem Dach tragen zu stark auf. Wir legen das Auto tiefer, indem ich talseitig den Reifendruck auf 0.8 Bar reduziere. Das bringt fast die nötigen Zentimeter. H stellt sich dann noch hinten auf den Unterfahrschutz, und so schafft der Toyo die entscheidende Solarpanel-Länge unter dem querliegenden Baum durch. Und dann werden die Reifen wieder aufgepumpt und das Ersatzrad kommt zurück aufs Dach. Wir sind durch und geniessen eine tolle, vom Regen tief ausgewaschene Piste ins Tal.
Da unsere erste Nacht in den Bergen des Hinterlandes schon recht kühl war, beschliessen wir für diese Nacht an der Küste zu bleiben. Wir geniessen das Nachtessen in einem Strandrestaurant und stellen uns auf einen Campingplatz.
Der nächste Tag bringt uns auf Schotter ein erstes Mal zu Piste des Seigneurs. Wir schauen uns die ersten Meter an und entscheiden, an einem andern Tag wiederzukommen, da uns mit nur der Hälfte eines Nachmittags vermutlich zu wenig Zeit zur Verfügung stehen dürfte, die fünfeinhalb Kilometer zurückzulegen. So statten wir zuerst Porto Vecchio einen Besuch ab und üben dann für die Seigneur auf der kurzen Strecke zum Stausee, die im MDMOT Führer verzeichnet ist. Ein paar weitere Schotter-Kilometer bei Bonifacio runden den Tag ab.
Bei Sartène steigen wir erneut in ein Abenteuer ein: Wir befahren eine mehrheitlich zugewachsene Dschungelpiste. Wer das Kratzen von Gebüsch und Ästen am Lack des Fahrzeugs nicht aushalten kann, ist hier fehl am Platz. Bei den ersten hörbaren Kratzern zucke ich noch zusammen, aber bald interessiert mich mehr, irgendwann im Tal wieder aus diesem Dschungel herauszukommen. Die Piste ist so eng, dass wir regelmässig in den Kehren zurücksetzen müssen. Der Wendekreis reicht nicht aus. Wir finden später einen herrlichen Lagerplatz an einem Bergbach und entspannen uns bei Bier und Bachrauschen vom Tag.
Über eine raue Forststrasse finden wir wieder zurück zum Einstieg in die Piste des Seigneurs. Das Wetter ist neblig, manchmal drückt schon die Sonne durch. Heute wollen wir es wissen. Kurz nach Beginn, bei der ersten von unzähligen Diskussionsrunden über die Durchfahrtsroute der nächsten dreissig Meter, holen uns natürlich schon die ersten Wanderer ein. Sie sind in diesem Gelände klar schneller als wir mit den Autos. Wo wir denn hin wollen, fragen sie. Hinauf zur Bergerie, sagen wir. Aber da seid ihr auf der falschen Piste. Da kommt ihr nicht hoch. Doch, doch, beschwichtigen wir. Da sind schon viele andere hochgefahren. Wir nehmen uns Zeit. Und die Wanderer verschwinden im Nebel.
Bald spüren wir, dass die Feuchte dazu führt, dass wir an den Gesteinsblöcken ziemlich Grip verlieren. Ich brauche mehrmals die Hinterachssperre, um wieder vorwärts zu kommen. Die Räder drehen an den feuchten Steinblöcken durch. Das Fahren verlangt so höchste Konzentration und Präzision, denn ein Schaden am Fahrzeug ist schnell passiert. Immer wieder aussteigen, Gelände einschätzen, sich die Route der nächsten manchmal nur zwanzig Meter einprägen und dann wieder losfahren. H kämpft auch mit seinem Navara. Wo der Toyo oft im Standgas im Reduziergetriebe vorwärts rollt oder allenfalls ein feines Antippen des Gaspedals braucht, muss der Navara wegen des kleineren Motors mit etwas mehr Gas und Schwung über das Gelände bewegt werden. Dann rutsche ich trotz aller Vorsicht seitlich von einem Stein ab und der Rahmen setzt auf. Später zeigt sich, dass der Stossdämpfer was abbekommen hat. Aber nichts Gravierendes.
Mittlerweile setzt sich die Sonne durch. Das Gelände wird trockener, wir haben mehr Grip. Später, schon weit oben, ist Mittagspause. Jedoch nicht, bevor sich auch H seinen Schaden am Auto eingefangen hat. Durch ein unerwartetes Abrutschen auf einer noch feuchten Felsfläche. Oben wird der Track flacher, bleibt aber sehr schmal und erlaubt kaum ein Fahren im zweiten Gang im Reduktionsgetriebe (Kriechgang). Dann nochmals eine Herausforderung: eine bachbettartige Passage. Herausgewaschen durch mächtige Gewitter.
Dann ist es geschafft. Die Hütten der Bergerie sind in Sichtweite. Etwa dreieinhalb Stunden für fünfeinhalb Kilometer. Das war definitiv meine bisher grösste Herausforderung beim Offroad Fahren. Ein wirkliches Erlebnis. Der HDJ80 hat es gut geschafft, Bodenfreiheit, Achsverschränkung und Drehmoment sei Dank.
Zur Entspannung gönnen wir uns einen Kaffee im nächsten Örtchen und brechen dann auf, von Süden her in Richtung Plateau de Coscione hinauf. Nach elf Kilometern ist aber Schluss. Wir stehen vor einer geschlossenen Schranke und müssen umkehren. Leider geht es denselben Weg wieder hinunter ins Tal.
Dann eben von Norden, sagen wir uns am nächsten Morgen. Aber auch das geht nicht mehr. Die Verbotstafel für die Weiterfahrt zum Refugio steht nun schon rund drei Kilometer weiter unten als vor zwei Jahren. Der Nationalpark wurde eben erweitert und die Offroader hielten sich nicht an die Benimmregeln und verliessen die Wege. Schade.
Wir nutzen dies aber, um uns zu Fuss auf den Weg zu machen, das Plateau zu erkunden. Nach einer knappen Stunde Fussmarch auf der Schotterpiste erreichen wir das Refugio, wo man uns den Pausen-Kaffee als Geschenk anbietet.
Unterwegs treffen wir auf den dunkelblauen Landrover der Gendarmerie, die hier oben offensichtlich Wache schiebt, um Verstösse gegen das Fahrverbot zu ahnden. Am Ende sind wir ganz oben auf rund 1600müM bei den Ruinen einer alten Wetterstation und können bei herrlichem Sonnenschein das gesamte Hoch-Plateau – eine für Korsika wahrlich seltene Topografie – überblicken.
Nachdem wir uns lange in der südlichen Hälfte der Insel aufgehalten haben, ist es nun an der Zeit, mal mit ein paar Asphaltfahrstunden Weg nach Norden zu machen. Wir überqueren zwei Pässe mit herrlichen Aussichten auf die noch schneebedeckten, höchsten Berge Korsikas und erreichen gegen Abend Corte, die einzige Universitätsstadt Korsikas.
Am nächsten Tag ist unser erstes Ziel eine sehr grobschottrige Kammstrasse, welche bei bestem Wetter herrliche Ausblicke auf die Nordküste Korsikas bietet. Und schliesslich biegen wir ein auf eine andere klassische Offroadroute, nämlich die in die Désert des Agriates. Hier geht es wieder langsam vorwärts und kratzt mitunter heftig am Lack der Autos. Wir brauchen etwa eine Stunde für die zwölf Kilometer bis zu den Stränden mit dem türkisfarbenen Wasser bei den alten Steinhütten. Endlich mal zumindest die Füsse im kalten Meer baden. H macht es vor. In der Lagune hinter dem Strand quaken die Frösche. Auf dem Rückweg zur Asphaltstrasse nimmt der Offroad Verkehr merklich zu. Wir sind hier eben im korsischen Offroad Mekka. Noch intensiver wird der 4x4 Verkehr auf dem Weg zu Paradisu. Mehrere lange italienische und französische Konvois kreuzen uns und man kann nur hoffen, dass dies jeweils an einer einigermassen breiten Stelle erfolgen kann.
In Saint Florent kehren wir mit unseren Autos ins Asphalt-Leben zurück: Die Autos werden grob vom Schmutz der Pisten befreit, die Räder auf Asphaltstrassen Luftdruck aufgepumpt und mein Fahrwerk wieder auf „hart“ eingestellt. Ein Capucchino entspannt uns für die letzten Kilometer über den Pass nach Bastia, wo wir auf dem Warteplatz für die Fähre alle Offroader wieder treffen, die in der letzten Woche irgendwo abseits in Korsika unterwegs waren.