Rumänien: Maramures, Klöster, Karpaten, Apuseni

Dieser Bericht erschien 2011 in der Zeitschrift ALLRADLER 3/11.

 

ALLRADLER

 

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Malerisches Bergland Apuseni
Malerisches Bergland Apuseni
Bachbette statt Strassen - Offroad Herausforderung
Bachbette statt Strassen - Offroad Herausforderung
Entspannen und Natur geniessen
Entspannen und Natur geniessen

 

Begegnungen

Am ersten Tag die Begegnung mit dem VW T3 Allradler Bus mit Appenzeller Kennzeichen, der uns informiert, dass es wohl unmöglich sein wird, über die Berge von Baia Mare nach Sapanta zum berühmten Friedhof zu kommen. Sie kommen gerade zurück von stundenlanger Suche nach einem Durchkommen, welches aber durch umgestürzte Bäume unmöglich sei. Wir begnügen uns so mit einem ruhigen Stellplatz hoch oben in den Wäldern nördlich von Baia Mare.

Nahe der Grenze zur Ukraine fahren wir ostwärts. Die Grenzpolizei kommt abends in einem Nissan Terrano zu uns hoch auf die Hügel. Sie sind zu sechst im Auto und haben dies wohl als Abendausflug geplant um uns Touris zu besuchen. Den, der am besten Englisch spricht schicken sie vor. Pässe wollen sie keine sehen, nur wissen was wir vor haben. Eine Nacht Camping - kein Problem. Dazu erhalten wir den Hinweis, dass wir uns im Bärenrevier aufhalten. Wir sollten alle Esswaren und Abfälle über Nacht im Auto behalten. Dann sind sie wieder weg und wir geniessen den Sonnenuntergang.

Liviu – ein Bauer - stoppt sein Pferdefuhrwerk auf dem Weg zum Melken seiner Kühe mitten im Wald um etwas mit uns zu plaudern. In der Schule habe er früher einmal Französisch gelernt, aber halt nie mehr üben können. Er klaubt ein paar Wörter hervor, dann noch ein paar deutsche Wörter und so radebrechen wir zusammen über ein Stunde und erfahren viel über die Situation eines rumänischen Bauern und seiner Tochter, die Lehrerin ist. Am Morgen will er zurückkommen und uns vom selbst produzierten Hartkäse (cascaval) vorbeibringen. Das Angebot für ein Bier nimmt er nicht an; er muss ja heute Abend noch seine Kühe melken… Er freut sich, als ich ihm meine Kärtchen zeige, auf denen ich ein paar rumänische Wörter (eben zum Beispiel „cascaval“) und oft gefragte Sätze aufgeschrieben habe. Das hilft bei der Verständigung.

Dann treffen wir auf die französischen J4 Fahrer (Toyota Landcruiser J4, ein Offroader der seit 25 Jahren nicht mehr gebaut wird!) um Dani den Elsässer. Sie bestaunen unseren Custom Camper J8, wir ihre J4 die auch in dem Alter noch topp fit sind für einen Offroad Trip nach Rumänien. Klar wird gefachsimpelt über die Qualitäten der Toyota Landcruiser und berichtet über die Szene; natürlich auf Französisch so gut es geht. Wir erhalten auch ein paar wie sich später heraus stellt sehr gute Tipps für Offroad Pisten und geben unsererseits Informationen über den Zustand der bisher von uns befahrenen Strecken.

Als wir nach mehreren Anläufen noch immer keinen durchgehenden Weg über einen Hügelzug gefunden haben und einen weiteren probieren wollen, fahren wir auf zwei rumänische 4x4 Fahrzeuge auf: einen Suzuki Vitara älterer Bauart und einen neuen Toyota Landcruiser J12. Als die beiden kurz danach einen Zwischenstopp einschalten, versuchen wir sie auf Englisch anzusprechen und nach dem richtigen Weg zu fragen. Sie sind aus der Region, welche hier von Ungaren besiedelt ist und kennen sich im Detail aus. Nachdem sie uns die Wegbeschreibung gegeben haben, fordern sie uns auf, mit ihnen zu fahren, denn oben sei ein schöner Aussichtspunkt. Klar, Tipps von Einheimischen sollte man immer folgen: Wir fahren ihnen nach hinauf, zuletzt wirklich „off road“ quer über Alpwiesen, auf denen Schafe weiden und uns Hirten zuschauen. Wir fahren auf dem Wiesengrat immer höher bis wir ganz oben sind. Eine herrliche Rundumsicht hat man hier. Die Ungaren (oder sollte man sagen die rumänischen Ungaren?) sind hierhergekommen, um zusammen zu grillieren. Wir wollen weiter und finden – nachdem wir eine grössere Gruppe polnischer Offroader beim Aufbau ihres Camps passiert haben – unsererseits einen Stellplatz mit Aussicht ins Tal und auf das aufziehende Gewitter.

Wieder geht es auf Naturstrasse im Wald aufwärts, als wir plötzlich gleich neben dem Weg zwei Offroad Fahrzeuge stehen sehen. Ein 130-er Landrover Defender und einen Nissan Patrol. Mir ist sofort klar: Das ist „Bondgirl“. Mit ihr waren wir noch in Kontakt vor der Abfahrt und haben die Handy Nummern ausgetauscht. Ein Treffen in der Maramures haben wir jedoch, wie wir beim Berichten hören, um wenige Minuten verpasst (SMS Kontakt) und sie dann verloren. So ein Zufall, sich hier unverabredet im Nirgendwo Rumäniens zu finden. Wir fahren den zweiten Teil des Tages zusammen im Konvoi und erzählen unsere Geschichten während eines Besuches in einem Berggasthaus. Später trennen sich unsere Wege wieder.

Im Apuseni Bergland machen wir kurz ausserhalb eines Dorfes Halt. Kurz danach kommt Marian zu Fuss vorbei und lässt sich bei uns nieder. Er zeigt uns seine vier Flachen Bier (8 Liter!) in einem kleinen Rucksack und scheint schon etwas angetrunken. Es sagt, heute sei sein Geburtstag und daher sollten wir zusammen Bier trinken. Theres winkt ab, Oliver wird als „minor“ qualifiziert und daher vom Trinken befreit. Ich bin froh, als kurz darauf ein Kollege von Marian mit dem Pferdefuhrwerk auf dem Weg in den Wald vorbeikommt und sich zu uns gesellt. Er hilft nämlich, die von Marian auserkorenen Flache zu dritt statt nur zu zweit zu leeren. Kommt dazu, dass Marian in seinem Biereifer bei Einschenken der Becher jeweils grosszügig verschüttet…

Eine Flasche schenkt er uns, um sie in die Schweiz mitzunehmen. Wir revanchieren uns mit dem Rest unseres Käses, Brot und einem Feuerzeug.

„Höhepunkt“ dieser Begegnung ist sicher, dass uns die Herren auf dem Pferderücken fotografiert haben wollen. Als uns Marian darauf vorschlägt, dass wir ihn im Auto mitnehmen, verstehen wir plötzlich noch weniger Rumänisch als sonst schon…

Zu Hause haben wir mit diesem Bier aus Timisoara auf unsere Rumänienreise angestossen.

 

Strassenzustände – Strecken

In der Maramures und auch noch südlich des Lacu Rosu mussten wir ein paar Mal umkehren, da Gewitter die Waldwege (kleinste Strassenkategorie gemäss Strassenatlas Berndt & Freytag) gänzlich weggewaschen hatten. Manchmal konnte man sich aber noch ins Bachbett retten um weiter vorwärts zu kommen. Zum durchkommen reichte es aber oft nicht, weil man schon ein paar hundert Meter weiter wieder vor einer unpassierbaren Stelle gestanden hätte.

Manche Waldwege und Schotterstrassen waren aber auch schlicht von den Gewittern stark ausgewaschen worden. (tiefe Gräben)

Viele Strecken verlaufen durch den Wald und dort trifft man regelmässig auf Waldarbeiter, die mit schweren Waldtraktoren die gefällten Stämme auf Rückewegen auf die Waldstrassen hinausschleifen. Dort werden sie dann auf die LKWs verladen. Waldtraktoren und LKWs führen dazu, dass dort wo geholzt wird der Zustand der Strasse schlecht bis sehr schlecht ist (Wasser, Schlammpassagen). Mit einen 4x4 kommt man da aber schon durch.

Wer eine zusätzliche Herausforderung sucht, kann sich auf alten Holzrückewegen querab der Waldstrassen bewegen. Dann wird’s schnell happig und der Einsatz der Winde kann zum entscheidenden Mittel werden, überhaupt noch vorwärts zu kommen. Diese Holzrückewege enden aber meistens im Nichts, so dass man auf demselben Weg zurück zur Waldstrasse muss.

Wir waren ausgerüstet mit Seilwinde, Greifzug und Sandblechen. Diese als „Rettungsmittel“ nicht als Mittel zum vorwärts kommen. Dazu Mud Terrain Reifen (grobes Profil) die wichtig werden, sobald es schlammig wird; und das wird es in Rumänien mit Sicherheit einmal.

In Gebieten über der Baumgrenze (östlich Pasul Urdele) fanden wir herrliche Panoramastrassen – vergleichbar mit den alten Militärstrassen der Westalpen. Fahrerisch recht einfach; aber von der Aussicht auf Wälder, Berge, Täler und Seen her einfach phantastisch.

In den Tälern gab es alles von gut ausgebauten Asphaltstrassen, die die Städte verbinden, bis zu ganz üblen Schlaglochpisten, die kein zügiges Fahren zwischen Dörfern erlaubten.

 

Navigation

Wir haben zum ersten Mal mit der Navigationssoftware TTQV (Touratech Quo Vadis) russischen topographischen Karten mit Stand 1942 auf einem Netbook PC (ASUS T-91) navigiert. Das GPS Signal wurde mit einem GARMIN 60CSx empfangen und über ein USB Kabel an den Netbook geleitet. Zusätzlich lief auf dem GARMIN Handgerät eine kostenlos heruntergeladene Vektorkarte Rumäniens. Unsere Papierkarte war der bekannte 1:300'000 Strassenatlas von Berndt & Freytag. Oft wäre es unmöglich gewesen, sich genau zu orientieren mit nur einem dieser Elemente. Die Kombination von allen dreien liess uns die gewünschten Strecken meistens finden. Es gibt aber zusätzliche Wege und Strassen, die auch auf den drei erwähnten Karten nicht aufgeführt sind. Hier müsste man vermutlich auf Wanderkarten 1:50'000 zurückgreifen, welche aber Rumänien bei Weitem nicht abdecken.

Die „Russenkarten“ haben Wege eingezeichnet, die nun nach über sechzig Jahren zum Teil nicht mehr existieren, was irreführend sein kann. Dennoch sind sie sehr hilfreich wegen der Höhenkurven auf Grund derer man das Gelände gut einschätzen kann.

 

Sehenswürdigkeiten

Nebst dem wohl weltweit einzigartigen „fröhlichen Friedhof“ in Sapanta haben uns vor allem die Holzkirchen von Surdesti und Budesti sowie die orthodoxen Klöster Putna, Sucevita, Humorului und Voronet beeindruckt. Das sind Kirchen und Klöster, die man wirklich nur in Rumänien sehen kann. Erstaunt hat uns auch der weltliche Umgang in diesen Klöstern, wo uns zum Beispiel die Nonne die den Eintritt kassierte anbot, von uns dreien vor der Klosterkirche ein Foto zu machen. Die Nonne mit der Nikon D90 in der Hand…

Vom Innenraum der Holzkirchen bleibt der ganz spezielle, feucht-modrige Geruch in der Nase.

Weiter sind die Kirchenburgen in Siebenbürgen zu erwähnen. Insbesondere diejenige in Viscri (Weisskirch) ist phantastisch. Geht man durch das kleine Eingangstor, betritt man eine andere Welt. Man ist in einer vergangenen Zeit. Während die Klöster mit Opulenz in den Innenräumen und bei den bildlichen Darstellungen beeindrucken, ist es eine marode Schlichtheit, die uns bei der Kirchenburg in Viscri auf ihre Art beeindruckte.

Spannend fanden wir in Rumänien auch immer, dass es da ja eine starke deutsche Vergangenheit gab und gewisse Landstriche noch heute von Rumänen, die ungarisch sprechen (Amtsprache Rumänisch) besiedelt sind.

Mit der Vorsteherin der Kirchenburg in Viscri konnte man sich perfekt auf Deutsch unterhalten. (Noch 26 „Sachsen“ leben im Dorf. Die trafen sich an dem Wochenende mit den nach der Wende ausgewanderten Rückkehrern.) Und an der Aussenmauer waren die Kriegstoten beider Weltkriege mit deutschen Namen aufgelistet.

Als sehenswürdig würden wir sicher auch die Landschaften der Maramures mit den kleinen Dörfern (insbesondere das Iza Tal), die Südkarpaten östlich des Pasul Urdele und die Streusiedlungen des Apuseni Berglandes bezeichnen. Es war einfach herrlich, dass wir mit unserem Auto auf kleinsten Strassen in diese Landstriche vordringen konnten und die Bilder die an uns vorüber zogen geniessen konnten.

 

Gefälle Stadt – Land

Was uns immer wieder aufgefallen ist und uns zum Teil auch bedrückt und sprachlos gemacht hat, ist das zum Teil enorm grosse Gefälle zwischen den Städten mit ihrer Infrastruktur und den ländlichen Gebieten. Da trifft man zum Beispiel in Sibiu auf eine Shopping Mall modernster amerikanischer Art mit riesigen Parkplätzen, und allem Überfluss an Produkten die wir in Mitteleuropa so kennen. Auf der andern Seite trifft man auf der Fahrt durch siebenbürgische Dörfer südlich von Schässburg auf recht trostlose Weiler mit halbverfallenen Häusern (Hey, da wohnt ja noch jemand drin…!) und man fragt sich, was denn die Leute hier so tun. Vermutlich sind alle Selbstversorger und fahren allenfalls in die Städte (wenn sie denn überhaupt ein Auto haben) zur Arbeit. Was das Einkaufen betrifft, haben solche Dörfer irgendwo ein unscheinbares Haus, mit nur einer Tür in der Frontwand. Aussen an der Wand ein kleines Schild: „Magazin Mixt“. Der Gemischtwarenladen also. Es fehlen jegliche Werbeplakate, die Aktionen ankündigen oder über Produkte informieren. Oft scheint dies der Treffpunkt der Dorfbevölkerung zu sein, denn sonst gibt’s in den Dörfern eigentlich nichts. In diesen Dörfern ist das Pferdefuhrwerk allgegenwärtig und ein langsames aber zentrales Fortbewegungsmittel.

Während man in den Städten und auf den Hauptverbindungs-strassen viele moderne Versionen deutscher Automarken antrifft, kommt einem in den Dörfern eigentlich fast immer ein Dacia (Renault 12), der mindestens 20 Jahre alt ist, entgegen. – Und das nicht nur in den Dörfern sondern auch auf den rausten Karpatenstrecken. Der Dacia scheint es immer zu schaffen - mit Zweiradantrieb.

Manchmal fragte ich mich, was wohl die ein modernes westliches Leben führenden Städter in Sibiu über die in der Vergangenheit stehen gebliebenen Bewohner der siebenbürgischen Dörfern denken und umgekehrt.

 

Stellplätze

Rumänien ist weiss Gott nicht berühmt für Campingplätze. Das heisst, ausser ein paar Pensionen die eine Wiese anbieten auf die man sich stellen kann, haben wir eigentlich keine Campingmöglichkeiten angetroffen.

Das ist aber auch kaum notwendig, denn wer sich in den Karpaten – also weit weg von der Zivilisation – aufhält, findet problemlos einen Stellplatz bester Qualität (zum Beispiel mit Rundumsicht ins Tal) in der freien Natur. Normalerweise bleibt man da draussen unter sich; ausser es schauen mal ein Schafhirte mit seiner Herde und Hunden oder ein paar Beeren- oder Pilzsucher vorbei. Die Nächte an diesen Plätzen sind absolut ruhig. Falls man sich in den Wäldern aufhält, hört man allenfalls die Käuzchen rufen. Sonst haben wir nie Tiere wahrgenommen in der Nacht.

Geduscht wird an solchen Plätzen falls nötig aus dem Kanister oder im Bach neben dem Stellplatz. Trinkwasser bringt man mit. In Rumänien sind Quellen mit Trinkwasserqualität am Wegesrand immer mit einem Becher markiert welcher quasi auffordert, hier das Trinkwasser zu kosten oder davon mitzunehmen. Hier kann man bequem die Trinkwasservorräte aufstocken.

Auf der Heimreise stoppten wir für eine Nacht in Podersdorf am Neusiedlersee bei Wien. Ein Gross-Campingplatz. Und schon dachten wir mit Wehmut an die ruhigen Nächte hoch in den Karpaten zurück, wo wir kostenlos tiefen Schlaf genossen, während wir hier bis in tiefe Nacht unseren Nachbarn bei Smalltalk zuhören mussten, weil sie nicht merkten, dass eigentlich alle rundherum schlafen wollten, nur sie noch nicht…