In Comodoro Rivadavia (eine scheussliche, staubige Stadt, wo die Erdölindustrie Argentiniens zu Hause ist) nervt uns ein Stein, der sich im Bereich der vorderen Bremsscheibe verfangen hat. Das quietscht bei tiefen Geschwindigkeiten bedrohlich. Bei schnellerem Fahren hört man aber nichts mehr. Wir wollen der Sache auf den Grund gehen. Dazu demontieren wir an einer Tankstelle das linke Vorderrad und können ihn sehen. Doch dann fällt er irgendwo zwischen Bremsscheibe und Bremszange hinunter und wir sehen ihn nicht mehr. Beim Weiterfahren hört man auch nichts mehr. Problem gelöst?
Die Fahrt nach Sarmiento zum versteinerten Wald führt durch Erdölfelder mit hunderten wenn nicht tausenden von nickenden Pumpen. Wir dachten immer, dass diese Art der Erdölförderung längst veraltet ist. Hier offenbar nicht.
Weil wir Windschutz brauchen, suchen wir in Sarmiento einen Campingplatz. Letztlich fahren wir 80 zusätzliche Kilometer, um einen geschützten Stellplatz in einem oberlausigen Campingplatz (Qualität Dusche/WC) zu finden.
Am nächsten Morgen geht’s dann über eine selbst für den Toyota ziemlich üble Schotterpiste zum versteinerten Wald von Sarmiento. Wir erhalten eine Einführung vom Park Ranger. Die Bäume wurden, nachdem sie abgestorben waren, von Flüssen hierher geschwemmt und mit Sediment überdeckt; durch neu dazukommende Feuchtigkeit konnten sie versteinern. Nun, nach ca. 65 Millionen Jahren, werden sie durch die Erosion wieder freigelegt. Der Ranger schickt uns auf die Runde. Teilweise sieht es aus, wie wenn man in einer Sägerei über Holzschnitzel läuft. Nur sind auch diese steinern. Wieder zurück werfen wir noch einen Blick in das kleine Museum und werden uns wieder der Millionen Jahre bewusst, die solche Prozesse brauchen, währenddessen der Mensch um die hundert Jahre auf dem Planeten verbringt.
Der Ranger ist äusserst gewissenhaft und lässt uns noch den Inhalt unserer Hosentaschen vorzeigen, um zu prüfen, dass wir nichts Versteinertes klauen wollen.
Durch Ölfelder, auf üblen Schotterpisten, geht’s zurück zur Hauptroute. Am nächsten Tag wieder ein 50 Kilometer Abstecher zum zweiten «Wald». Hier ein anderes Bild. Vor rund 150 Millionen Jahren wurden die riesigen Araukarien durch einen Vulkanausbruch (starke Sturmwinde und Asche) gefällt und liegen alle in etwa in gleicher Richtung. Auch in dieser Wüstenlandschaft sind sie natürlich wieder durch Erosion zum Vorschein gekommen.
Dann ist der Weg nach Süden ausschliesslich flache, trockene Pampa, regelmässig unterbrochen durch Flusstäler. Zu sehen gibt es nicht mehr viel. Also ist fahren und die Kilometer hinter sich bringen angesagt.
Fehlende Papiere für den Grenzübertritt
Rund eine Fahrstunde vor dem Grenzübertritt nach Chile werden wir an einer Polizeikontrolle gestoppt. Man will unserer Papiere sehen. Führerausweis passt noch, beim Fahrzeugausweis in Papierkopie-Form hat der Polizist ein kleineres Problem. Wir können ihm aber erklären, dass dies in der Schweiz so üblich ist und wir das nicht «in Plastik» haben. Das Dokument für die temporäre Einfuhr des Autos (TIP) haben wir natürlich nicht. Wurde ja gestohlen. Wir zeigen den Polizeitrapport und erklären das. Das überfordert den jungen Mann. Er muss mit seinem Chef reden. Dann stehen zwei Polizisten beim Auto und wir haben mal geparkt.
Sie sind aber «unser Freund und Helfer». Sie meinen, dass wir an der Grenze das TIP Dokument brauchen und schicken uns 20 Kilometer weiter zu einem Zollamt, wo man uns auf Grund des Rapportes ein neues ausstellen werde.
Fahren wir hin. Beim Zollamt ist morgendliche gute Laune im Büro angesagt. Jemand hat «Gipfeli» mitgebracht und der Mate ist auch schon gebraut und steht auf den Bürotischen bereit.
Ein Mann ohne Uniform bemerkt uns und wir erklären unser Problem und Anliegen und dass die Polizei uns schickt. Mit Pass und Polizeirapport setzt er sich an den Computer und nach fünf Minuten haben wir ein neues TIP. Wichtig: Je mehr Stempel und Unterschriften desto gültig!
Wir fahren weiter zur Grenze. Dort nimmt der argentinische Zoll das neue TIP kommentarlos entgegen bei der Ausreise. Dieses TIP war ungefähr eine Stunde in unserem Besitz. Die Chilenen interessiert das natürlich nicht. Da gibt es einfach ein neues TIP für Chile. Und mit der Papierkopie des Fahrzeugausweises kommen wir ohne Probleme durch. Es wird nicht mal nachgefragt.
Magellan Strasse
An der engsten Stelle ist die Magellan Strasse nur sieben Kilometer breit und somit ideal für eine Fähre. Ein schönes Gefühl, nach doch einigen Kilometern seit Montevideo nun hier zu sein und auf Feuerland überzusetzen, was etwa zwanzig Minuten dauert. Dann folgen rund 160 Kilometer auf chilenischen Strassen. Dann das Ganze rückwärts. Ausreise aus Chile. TIP wieder abgeben nach ein paar Stunden und wieder neues TIP für Argentinien. Man bekommt rasch Übung in solchen Dingen. Aber alles speditiv und korrekt. Manchmal ein kleiner Schwatz mit den Grenzern. Insbesondere die Fruchtkontrolleure am chilenischen Zoll hatten Freude am Auto. So sprachen wir mehr über das Auto als darüber, ob wir noch verbotene Produkte mitführen. Einer wollte sogar noch den grossen Toyota Motor anschauen und ein bisschen fachsimpeln bevor wir weiterfuhren.
Feuerland off the beaten Track
Man kann natürlich auf der Hauptstrasse zügig über Rio Grande nach Ushuaia fahren, aber wir wollen uns dieses Mal für Feuerland Zeit nehmen. Denn die Landschaft ändert sich nun eindrücklich. Es beginnen die Südbuchen-Wälder und es wird wieder hügeliger. Die zerzausten Bäume mit den Bärten aus Flechten vermitteln das Gefühl, in einem Fantasy-Roman angekommen zu sein. In der Ferne sind die ersten noch schneebedeckten Berge zu sehen. Die südlichsten Ausläufer der Anden. Wir passieren die Estancia Viamonte, wo wir vor 32 Jahren schon am dritten Tag unserer Radreise von den Gauchos zum Mittagessen (Suppe, Brot, Tee) eingeladen wurden, weil der Wind zum Radfahren eigentlich zu stark war.
Bald biegen wir von der Hauptroute ab und fahren auf gutem Schotter rund 40 Kilometer dem Nordufer entlang bis zum Cabo San Pablo. Das Wetter zeigt sich von der besten Seite: Mild und kein Wind. Zeit, das Fahren zu beenden und hier einen gemütlichen Nachmittag zu verbringen. Auch ein kleiner Fuchs hat unsere Anwesenheit bemerkt und macht mehrmals die Runde durch unser Camp. Später stossen zufällig noch Sebastian und Anja dazu, die wir schon in Cerro Sombrero getroffen haben. Bei einem Bier gibt es viel zu erzählen und Infos auszutauschen. In der Bucht liegt das Wrack der Desdemona, zu dem man bei Ebbe trockenen Fusses gehen kann.
In Tolhuin wieder eine Erinnerung an unsere Radreise: Wir suchen die Hosteria Kaiken auf, wo wir bei einem heissen Tee auf den stürmischen Lago Fagnano blickten. Damals haben wir Tolhuin mit ca. 200 Einwohnern gar nicht wahrgenommen als Ansiedelung. Heute leben hier 7000 Menschen und es gibt Ferien- und Wochenendhäuser.
Vorbei am Lago Escondido und über den Paso Garibaldi (425 MüM) kommen wir aus den Bergen heraus und um die letzte Ecke. Wir sehen ein völlig verändertes Ushuaia. Ausufernd auf alle Seiten. Verrückt. Wir suchen uns einen Campingplatz, finden aber nach vier Anläufen keinen. Letztlich weit hinten in einem Tal den Camping Encantada, wo es zumindest eine Dusche und ein WC gibt.
Nach einer Nacht gehen wir weiter in den Nationalpark Tierra del Fuego und wollen die Ruta 3 bis zum letzten Meter fahren. Die endet nämlich in der Bucht von Lapataia, etwa 14 Kilometer nach Ushuaia. Ab hier geht’s nur mit dem Schiff weiter nach Süden. Wir sind am Umkehrpunkt angekommen.
Nach Osten geht’s dem Beagle Kanal entlang raus, vorbei an Kap Horn in Richtung Antarktis. Das ist unser nächster Abstecher. Hier draussen ist die Natur noch ein bisschen rauher. Aber wir merken davon wenig. Es ist sonnig, kaum Wind (sehr ungewöhnlich) und angenehm warm. Wir passieren die Estancia Harberton und finden einen herrlichen Platz auf einer Steilküste mit direktem Blick dorthin, wo das Kap Horn im Dunst versteckt ist. Wir geniessen einen entspannten Nachmittag.
Abends ändert sich das Wetterbild wiedereinmal schlagartig. Es setzt kräftiger Wind mit noch kräftigeren Böen ein, was uns zwingt, zum dritten Mal auf dieser Reise mit geschlossenem Dach und somit mit Platzverhältnissen wie in einem Bergzelt zu schlafen.