Toyota endlich aus dem Container
Wir sitzen im Toyota und winken beim Verlassen des Hafengeländes Eduardo zu, der als Zollagent das Beste aus unserer Situation gemacht hat. Wir fahren auf der Rambla – der Küstenstrasse – zum Leuchtturm, wo wir mit unseren Containerpartnern gemeinsame Fotos schiessen und uns dann verabschieden. Jedes Team geht nun auf seine eigene Reise.
Aber wie kam es letztendlich doch noch dazu? Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Jede involvierte Stelle will zuerst Geld sehen, bevor sie etwas macht. Bei manchen reicht es, wenn sie den Beleg einer erfolgten Zahlung erhalten, andere wollen, dass das Geld auf dem Konto der Bank tatsächlich eingetroffen ist.
So ergibt sich ein Rhythmus von ca. 24 Stunden pro Prozessschritt, der nötig ist, um das Auto aus dem Container zu befreien.
Der Auslöser für die ganze Verzögerung ist aber eindeutig der Verschiffungsagent Robert WWS, welcher statt beim Auslaufen des Schiffes in Rotterdam, die Frachtrechnung erst Tage nach dem Einlaufen in Montevideo zahlen konnte. Kein Kommentar.
Jedenfalls fragen wir Eduardo an diesem Freitagmorgen, ob wir das Hotel für ein weiteres Wochenende verlängern müssen, oder ob eine Chance besteht, dass wir die Autos noch vor dem Wochenende erhalten. Er ist nun zuversichtlich uns bestellt uns für 13 Uhr zum Hafen. Dort gibt es noch eine kleine Aufregung, weil uns Eduardo das «Passwort», um in den Hafen zu kommen, nicht gegeben hat. Und wir ehrlichen Schweizer sagen das Falsche und werden prompt nicht eingelassen. Theres hat aber die geniale Idee, dass wir uns einfach ein Taxi nehmen, um die Kontrolle der Fussgänger per Auto zu umgehen. Der Taxichauffeur wird schon das Richtige sagen, um uns in den Hafen bringen zu könnten. So steigen wir für knapp 500 Meter in ein Taxi und werden prompt durchgewunken. Der Taxichauffeur hat ein Trinkgeld verdient.
Bald stehen wir mit Leuchtwesten und Helmen ausgerüstet zwischen Bergen von Containern und erhalten die Erlaubnis, zum Container zu gehen. Siegel geknackt. Türe auf. ENDLICH!
Rasch die Batteriekabel wieder anhängen. Schlüssel drehen, er springt an. Langsam aus dem Container rausrollen. GESCHAFFT.
Dann beim Zoll vorbei für das TIP (Temporary Import Permit); also quasi die Betriebserlaubnis für den Toyota in Uruguay. Sie ist ein Jahr gültig.
Soweit so gut.
Nach den Abschiedsfotos fahren wir im Feierabendverkehr Montevideos zur Stadt hinaus und zum Camping «Paraiso Suizo». Das sind etwa 70 Kilometer. Hier werden wir freundlich empfangen von Silvia. Sie und Heinz betreiben diesen Treffpunkt der Reisenden seit 25 Jahren und bieten auch eine Abstellfläche für Reisemobile an. Für alle, die nach einer Pause zuhause nochmals zurückkommen wollen, um länger durch Südamerika zu reisen.
Silvia kann uns auch mit den allernötigsten Nahrungsmitteln bis zum nächsten Tag versorgen, denn unser Auto ging ja diesbezüglich leer in den Container.
Am nächsten Morgen müssen wir uns reisefertig machen. Das heisst eben, auch mal Nahrungsmittel einzukaufen. Letzte Dinge werden im Auto zu verstaut; und auch die Alukiste auf dem Dach befestigt.
Dann ist wirklich alles bereit und die eigentliche Reise kann endlich losgehen.
Uruguay Rundtour
Unser erstes Ziel ist Punta del Este. Dies ist der Treffpunkt der Reichen und Schönen aus aller Welt. Eine Ansammlung von Luxus Apartment Hochhäuser, die auf einer Landzunge angesiedelt sind. Faszinierend verrückt und abstossend eindrücklich. Nur die historische Ecke ganz draussen beim alten Leuchtturm ist nicht in die Höhe gebaut. Wir rollen der Rambla entlang und lassen es auf uns wirken.
Bald verschwindet Punta im Rückspiegel und die Ostküste Uruguays wird ruhiger. Das ist die Küste der Alt-Hippies und Surfer. Teils Feriensiedlungen, teils Siedlungen aus einfachsten Bretterhäuschen.
Campieren ist schwierig bis unmöglich. In Uruguay sind die Strassen, die von der Hauptstrasse wegführen alle ausnahmslos abgesperrt. Privatland, das nicht betreten werden kann. Die Campingplätze sind zu dieser Jahreszeit noch geschlossen. So finden wir am ersten Abend ein einfaches Zimmer für die Übernachtung.
Am andern Morgen werden wird von einem Auto fast in polizeilicher Manier zum Anhalten gezwungen. Der Fahrer gestikuliert wild, als wir ihn überholen und überholt uns sofort seinerseits gleich wieder, um dann mit Warnblinker auf den Seitenstreifen zu fahren und wieder wild zu gestikulieren. Wir fahren ebenfalls auf den Seitenstreifen.
«Ja, wenn man schon mal Schweizer trifft, dann muss man doch zusammen einen Schwatz halten», tönt es von hinten kommend. Tancredi und Silvia sind mit ihren drei Kindern vor rund drei Monaten aus der Schweiz nach Uruguay ausgewandert. (Nein, sie werden nicht Teil von «Uf u dervo» sein.) Sie fahren voraus zum nächsten Küstendorf, wo wir uns auf einem Parkplatz am Meer entspannter unterhalten können, als auf dem schmalen Seitenstreifen. Engagiert erzählen sie von ihren Plänen. Vorallem hört man immer wieder, was hier noch möglich sei, aber in der Schweiz eben nicht mehr gehe, weil das Leben (Behörden, Banken, etc.) so kompliziert sei. Mögen die Pläne der Auswanderer gelingen. Wir ziehen den Hut vor dem Mut und der Überzeugung, mit dem sie ihre Projekte angehen.
Am Abend schaffen wir es zum National Park Santa Teresa, der vom Militär geführt wird. Unseren Reiseführern folgend besuchen wir die Quebrada de los Cuervos, eine Schlucht (was für uruguaische Verhältnisse doch sehr spektakulär ist), nur um vor einer geschlossenen Absperrung zu stehen. Da somit auch der Campingplatz geschlossen ist, fragen wir bei einer Bäuerin, ob wir uns im Windschatten der grossen Bäume hinstellen dürfen.
Das Wetter ist auch am nächsten Morgen nicht besser. Die Wolken hängen tief und es nieselt. Die Erdstrasse, auf welcher wir unterwegs sind, pflastert unser Auto in Kürze mit einer braunen Patina zu. Wir steuern das Valle del Lunarejo an, welches ebenfalls als «speziell» erwähnt ist. Wir finden abends einen schönen Stellplatz im Arroyo Lunarejo und können beim Nachtessen den Vögeln beim Fischen zuschauen. Ein Stinktier schleift seinen Nachwuchs zwischen den Beinen an uns vorbei ins nächste Gebüsch. So eifrig und konzentriert, dass es uns wohl gar nicht bemerkt hat.
Das Valle ist ein Millionen Jahre altes Erosionstal, wie es in Uruguay eben nur hier vorkommt. Daher speziell. Für Mitteleuropäer: Na ja.
So geht es zügig in Richtung Grenze nach Paysandu, an den Rio Uruguay, den Grenzfluss. Hier finden wir direkt am Fluss einen schönen, ruhigen Platz. Nur ein paar Fischer feiern die halbe Nacht. Ruhiger wird es erst, als der Regen einsetzt.
Grenzübertritt Argentinien
Kurz nach neun Uhr stellen wir uns an der Grenzbrücke in die Autokolonne. Es geht Wagenlänge um Wagenlänge voran. Irgendwann kommt eine Frau mit «Aduana» Leibchen vorbei und verlangt das TIP-Dokument, welches ja «geschlossen» werden muss. Eine Bestätigung erhalten wir nicht. Das sei alles im Computer, meint sie. Schon ok. Wir werden es sehen, bei der nächsten Einreise nach Uruguay. Die argentinischen Zöllner stellen uns ein neues TIP aus. Gültig acht Monate. Stempel im Pass gibt es keinen mehr. Alles im Computer. Na dann.
Immer wieder erstaunlich: Das Anstehen dauerte 65 Minuten, das eigentliche Ausreise/Einreise Prozedere 10 Minuten.
Südwärts
In den folgenden Tagen geht es zügig voran, denn jetzt ist die Reiserichtung «südwärts». Unsere Reiseführer haben über dieses Gebiet im Umland von Buenos Aires kaum etwas zu erzählen und somit geht es auch für uns hauptsächlich darum, «Strecke zu machen». Wir staunen immer wieder über die relativ grossen Temperaturschwankungen. Einen Abend verzieht man sich bald ins Innere des Autos, beziehungsweise später tief in den Schlafsack. Dann wieder ist es erstaunlich mild und man kann abends im T-Shirt noch draussen sitzen. Nachts jedoch wird es dann gewittrig.
Bei Villa Gesell, einer im 19. Jahrhundert von einem Deutschen gegründeten Ferien Siedlung, mittlerweile angeblich ein Ferienort vorallem für «die Jungen», treffen wir wieder auf die Atlantikküste.
Mar del Plata: Brennstoff und Gaskartuschen
Hier wollen wir endlich Lösungen für unsere Kochsysteme finden. Bisher konnten wir unseren Vergaser-Brenner nur mit Kerosene betreiben, was fürchterlich stinkt und russt. Drinnen kochen geht so nicht. Und weiter südwärts werden wir das können müssen. (Patagonischer Sturmwind) Passende Gaspatronen für unseren kleinen Gas-Kaffee-Kocher konnten wir überhaupt nicht finden.
Wir suchen mit Google einen möglichst grossen Campingladen. Dabei ist zu sagen, dass wie schon in Uruguay, hier in Argentinien ein «Camping»-Laden erst einmal ein «Fischer»-Laden ist. Also muss man sich im Normalfall erst einmal den Weg durch unzählige Fischerruten und Fischereiartikel bahnen, um allenfalls noch brauchbare Campingartikel und im Idealfall den richtigen Brennstoff oder Kocher zu finden. Wir haben seit Montevideo schon einige solcher Läden abgeklappert, sind aber bis jetzt nicht fündig geworden.
Beim grossen Campingladen klappt es noch nicht, aber man schickt uns zu Fuss (!!! Mar del Plata hat 600'000 Einwohner) ein paar Strassen weiter. Da ist ein – richtig – Fischereiladen, in welchem wir aber rasch ein paar vernünftige Outdoor Kocher entdecken. Bald nimmt sich der Inhaber unser an und er scheut keine Mühe, uns total zufrieden zu stellen. Er ruft sogar den Importeur an, um herauszufinden, wie der Brennstoff für den Vergaserkocher hier heisst. Schraubpatronen für den Gaskocher hat er auch.
HYDRA
Hydra ist die Marke eines erstklassigen Lösungsmittels, welches man im Malerbedarfgeschäft erhält. Der Verkäufer dort weiss sofort, um was es sich handelt. Wir kaufen zwei Liter. Unser grosser Vorteil jetzt: In Zukunft können wir mit einem Foto des leeren Behälters in den Laden gehen und wissen genau, was wir wollen. So einfach geht das.
Mit unserem erfolgreichen Einkauf marschieren wir zurück zum ersten Laden, um uns für den guten Tipp zu bedanken. Da freut sich die ganze Belegschaft, dass sie uns helfen konnten, bestaunen unseren Toyota und wünschen uns gute Reise. Was für ein Erfolg in Mar del Plata.
Ach so: Ja, Mar del Plata ist eine riesige Stadt, die Hauptstadt der Ferienküste Argentiniens. Wir machten unsere «Stadtrundfahrt» wie in Punta del Este: Immer der Rambla entlang.
Sturmwind – Regensturm - Monsteretappe
Entlang dieser Badeküste finden wir bei Claromeco für die Übernachtung einen Platz in den Dünen mit Meersicht. In der Nacht frischt der Wind ein erstes Mal auf, weil sich über dem Meer unter intensivem Wetterleuchten ein Gewitter bildet. Morgens um sechs müssen wir unser Klappdach rasch schliessen. Der Wind hat in wenigen Minuten stark zugelegt. Wir packen zusammen und fahren an einen geschützteren Ort für das Frühstück.
Mit dem Wind ist der Regen gekommen und das Ganze ist ein veritabler Regensturm, der uns auf über 200 Kilometer Fahrt begleitet.
Da wir durch den frühen Weckruf des Windes auch früh auf der Strasse sind, entscheiden wir uns spontan für eine Monsteretappe mit regelmässigem Fahrerinnen Wechsel bis nach Viedma.
Die für Wale, Delfine, Seehunde und Pinguine berühmte Halbinsel Valdes wird unser nächstes Zwischenziel. Dem sind wir mit dieser fast 600km langen Etappe ein grosses Stück nähergekommen.