Wochenendausflug und immernoch kein Toyota

Noch kein Auto

 

Wir hoffen, dass es mal einen Morgen gibt, an dem wir beim Aufstehen in der Sache mit dem Auto eine positive Nachricht lesen können. Ist aber nicht. Die Zahlung braucht offenbar wider Erwarten 3-4 Tage und wir überlegen uns schon, den Betrag vorzuschiessen. Wir erhalten auch die schriftliche Garantie des Verschiffers, dass er uns einen Kreditbrief ausstellen würde. Wir sichern dieses Vorgehen in einem Telefon mit der Rechtsschutzversicherung in der Schweiz ab.

 

DANN DIE WENDE. Offenbar ist ein Bankkredit da und die Zahlung kann nun innerhalb von wenigen Minuten in Holland von einem Konto aufs andere (Gläubiger und Schuldner sind bei derselben Bank) erfolgen, was auch sofort bestätigt wird.

Nun sind wir am nächsten Punkt angelangt: Die Firma, die das Geld erhält, muss die «Waybill» (Zoll Wertpapier) ausstellen, die für einem «Express Release» des Zolls benötigt wird. Natürlich hoffen wir, dass dies im Zeitalter von E-mail innert Stunden passieren kann. Durch die Zeitverschiebung mit Europa reicht es natürlich nicht mehr. Wer hat etwas anderes in dieser Geschichte erwartet?

 

Also hoffen wir auf die positive Nachricht für Freitagmorgen: Und tatsächlich ist die «Waybill» im Posteingang. Obwohl auf cc, informieren wir unseren Agenten und gehen um 9 Uhr kurz im Büro vorbei. Unsere leichte Euphorie wird aber sofort gedämpft. Nun müssen alle diese Papiere zum Zoll zur Kontrolle und Verarbeitung. Der Zoll beginnt mit solcher Arbeit jeweils um 1 Uhr nachmittags. Hallo?

Die Chancen, das Auto vor dem Wochenende aus dem Container zu kriegen sind minim und sinken auf null, je näher das Wochenende rückt. Kommt noch dazu, dass am Montag Feiertag ist. Der Zoll arbeitet also am Dienstag an dem Thema weiter.

 

Wir entscheiden uns für eine gewisse Vorwärts-Strategie, weil wir ja Montevideo mittlerweile gesehen haben und nicht einfach nur rumsitzen und warten wollen.

 

Also mieten wir für Samstagmorgen zu viert ein Auto, um damit einen Wochenendausflug zu machen und suchen uns Airbnb Möglichkeiten heraus. (Wir erinnern uns immerwieder, dass wir ja vor 32 Jahren hier unten ohne Internet unterwegs waren. Wie ging das eigentlich?)

 

 

Nueva Helvecia

 

Zuerst geht es nach Nueva Helvecia oder Colonia Suiza; eine Schweizer Kolonie in Uruguay, die 1862 gegründet wurde. Wieviel Swissness werden wir da noch antreffen? Zuerst fallen die Schweizer Kantonswappen auf, die an nicht wenigen Wohnhäusern angebracht sind. Dann Ladengeschäfte, in deren Namen oder Logo die Schweiz auftritt. Zum Beispiel «Clinica Suiza», mit Schweizerkreuz im Logo. Höhepunkt dürfte der gelbe Original Schweizer Wanderweg Wegweiser sein, der auf dem zentralen Dorfplatz in Richtung Schweiz zeigt und die Entfernung in Kilometern angibt. Während wir im Restaurant beim Mittagessen kaum etwas von Swissness spüren, geht es dafür im Schokoladeladen von «Tante Eva» nochmals sehr schweizerisch zu und her. Schokoladekuchen klar, aber da hängen auch alle Schweizer Kantonswappen und der Inhaber – pensionierter Professor, in Uruguay geboren - erklärt uns seine Herkunft aus dem Kanton Aargau, aus Berlin und Tirol. Es entwischen ihm sogar ein paar Worte Deutsch.

Soweit so schweizerisch. Ansonsten sprechen hier alle Spanisch; pardon, Castellano natürlich.

 

 

Conchillas

 

Wer kennt schon Conchillas. Wir lernen es nur kennen weil dort, 50 Kilometer von Colonia del Sacramento entfernt, noch ein Airbnb über das Wochenende frei war, das ungefähr unseren Vorstellungen entsprach; zumindest was man davon auf der Webseite auf den Fotos sehen konnte.

Conchillas würde man heute als Arbeiterdorf bezeichnen, denn die in langen, zusammenhängenden Reihen angeordneten Steinhäuser mit Wellblechdächern waren Unterkünfte für Bergwerksarbeiter. Sie brachen die Steine, mit welchen auf der anderen Seite des Rio de la Plata in Buenos Aires der Puerto Madero gebaut wurde. All das erfahren wir von unserer Vermieterin.

Unser Airbnb ist also ein dunkles, kaltes Steinhaus. Keine Heizung, keine Isolation, der starke Wind rüttelt am Wellblechbach; hat aber durchaus seinen Charme. Wir kaufen uns ein bisschen Brot, Käse, Schinken, Bier und essen vor dem offenen Kaminfeuer. Nachts kriechen wir tief unter die dicken Decken.

 

Was uns die Vermieterin auch noch erzählt ist, dass am Sonntag ein grosses Fest der Gauchos (Cowboys) stattfindet mit einer Parade durch das Dorf. Tönt spannend.

Tatsächlich hört man am Morgen, wie die Pferde eintreffen und nach der Besammlung auf einer zentralen Wiese, wo auch der obligate Asado schon am Braten ist, geht die Parade los. Wir können das direkt vor unserem Haus mitverfolgen. Geschätzte 300 Pferde mit ihren Reitern. Kinder auf ihren Pferden. Und auch der jüngste Nachwuchs ist in voller Montur dabei: Babys und Kleinkinder werden auf den Pferden «mitgeführt». Frauen mit weiten, traditionellen Röcken, die bis über das Hinterteil des Pferdes reichen. Die Gruppen reiten zusammen; zuvorderst trägt einer die Standarte der Gruppe. Sehr authentisch, sehr eindrücklich. Man spürt den Stolz dieser Leute für ihren Berufsstand.

 

 

Colonia del Sacramento

 

Colonia, wie es genannt wird, ist mit der Fähre von Buenos Aires aus in einer Stunde erreichbar und ist daher ein sehr touristischer Ort. Viele Tagestouristen von jenseits des Flusses also. So auch an diesem sonnigen Sonntag. Wir machen einen Rundgang im historischen Zentrum, das aber sehr überschaubar ist. Für Fotos ist es schwierig, zuviele Menschen laufen immer ins Bild. So haben wir es bald gesehen und verabschieden uns.

 

 

Posada Casavieja

 

Posada Casavieja ist unser nächstes Ziel. Das ist der Betrieb von Susanne und Ruedi Althaus, die vor ein paar Jahren, begleitet durch die Sendung «Uf u dervo» des Schweizer Fernsehens, nach Uruguay ausgewandert sind. Ihnen statten wir einen spontanen Besuch ab, weil wir «gwundrig» sind. Hinweisschilder an der Strasse fehlen, wir haben aber die Koordinaten. Wir stellen uns vor als «vier von hunderttausenden, die euch am Fernsehen begleitet haben». Klar, wir sind nicht die ersten «Gwundrigen» und hoffen daher, dass wir mit unserem Besuch nicht nerven. Susanne lädt uns sogleich zum Kaffee ein und wir setzen uns zusammen an den Tisch. In den nächsten Stunden erfahren wir viel über Uruguay und wie es den Auswanderern persönlich geht. (Gut!) Wir sagen Susanne zu für ein Vegi Nachtessen und während sie kocht, fahren wir an den Strand des Rio de la Plata und erkunden die 5 Hektaren Land, auf denen sie hier mit ihren zwei Hunden die Posada führen. Zu später Stunde entrichten wir unseren Obolus und dann geht es eine gute Autofahrstunde zurück für die zweite Nacht im kalten Steinhaus in Conchillas. Wir durften eine herzliche Gastfreundschaft erleben.

 

 

Uf u dervo

Eine Sendung des Schweizer Fernsehens, bei welcher seit über 10 Jahren Schweizer Auswanderer in mehreren Folgen begleitet werden. Die Sendung stellt das Auswandern – auch gemäss Aussage von Ruedi  Althaus – sehr authentisch dar, ist daher beim Publikum über all die Jahre sehr beliebt. Susanne und Ruedi wanderten 2019 definitiv nach Uruguay aus, nachdem sie das Land und Südamerika schon mehrmals bereist hatten und dort Land gekauft hatten.

 

Wir runden unseren Wochenendausflug in Atlantida ab; ein Küstenort mit vielen Ferien- und Wochenendhäusern. Wir besuchen das "Adlerhaus" El Aquila, welches majestätisch aufs Meer hinaus äugt, machen einen Strandspaziergang bei kühlem Wind.

Dann ist es Zeit, nach Montevideo zurückzukehren und zu schauen, wie es nach dem Feiertag (Montag) mit dem Auto Thema weitergeht.

 

Auto Update

 

Per Veröffentlichung dieses Blogs stehen wir vor dem Transport des Containers zum Zoll. Der Transport kann aber nicht ablaufen, weil der Terminal im Moment bestreikt wird. Bereits wurden zusätzliche Lagerkosten von unserem Agenten bezahlt. Wir werden diese Kosten tragen müssen, hoffen aber, sie vom Verschiffungsagenten zurück zu erhalten (so sein Versprechen, das wir schriftlich haben). Jede Aktion, die es braucht, muss vorher bezahlt sein. Sonst geht gar nichts.

 

Wir verbringen die Zeit mit Emails an die Rechtsschutzversicherung und dem Entwerfen des Briefes, mit dem wir unsere zusätzlichen Kosten von Verschiffungsagenten zurückfordern werden.